Der Blick aufs Meer

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*Mit tiefem Atem haucht sie die letzten Zweifel den warmen Strahlen eines violett schimmernden Sonnenaufgangs entgegen. Ihre Beine baumeln am Schiffsrande während eine leichte Brise das seidend‘ blonde Haar hinter ihre Ohren streift. Ein Blicke nach hinten wird riskiert, um sich dem Abschiede ein letztes Mal zu vergewissern. Die Wüste scheint traurig, und so ist ein wildes Wehen über den Dünen zu erspähen. Die Farbe des sonst so malerischen Berges bei Rubricatus verblasst, als die Fähre langsam aber sicher gen Europa abdreht. Es ist, als würde ein Kinde um seine Mutter trauern… die Hüterin eines wohl betreuten Ortes kehrt diesem den Rücken zu, um sich im Zwiste mit sich selbst und vielen anderen Mannen nicht im Wege zu stehen.*

„Die Fähre umkreist die ottonischen Lande komplett, und so ist ein jeder noch verweilende Fahrgast verwundert, als die Frau des Orients im Halland Halt macht. Ihr Kopftuch senkt sich vom Haupte, als sie sich mitsamt ihrer Tochter ein warmes Gewandt überzieht. Wie kann ein Gesicht so schmerzerfüllte Mimik tragen? Eine Mischung aus allerlei herzzerreißenden Worten ist ihren Augen abzulesen, welche dieselbe Farbe des vor ihr liegenden Gletschers tragen. Eine Liebe, von welcher sie nicht weiß, ob sie noch lebend in den Landen verweilt oder bereits den Tode gefunden hat. Ein einstiger Orden, der ihr Freude brachte… ein unfassbares Gemeinschaftsgefühl, bei welchem sogar ihre blinde Tochter Spaß hatte. Jedwede Menschen, denen ihre Gefühle egal geworden sind und lediglich auf das eigene Interesse achten. So brach ihr zartes Herz in zwei.. jedenfalls für die Zeit, in welcher sie mühselig ein paar Hütten zwischen den Schneebergen des Nordens errichtete. Kaum funkelten deren vereisten Dächer unter den blassen Strahlen der Morgensonne, so erreichte sie im Zuge der inneren Verzweiflung ein Brief. Ihr verschollener Geliebter trug einen Texte auf Pergament nieder, der sie zu Tränen rührte und seit langer Zeit die ersten Glücksgefühle spüren ließ.
So kam das Eine zum Anderen… Der Briefwechsel der Beiden wollte nicht stoppen, bis sich der junge Recke nach Halland traute, wo es nicht lange dauerte, bis er ihr Herze vollkommen eroberte. Zeitgleich wüteten die Schneestürme über die Dächer und so dachte ein Jeder dort lebende, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Dielen vollkommen nachgeben würden. Gespannt blickte man dem Morgen entgegen, sogar das mühsam herangezogene Vieh überlebte, wenn auch etwas verstreut in der Landschaft.
Nach einiger Zeit verschwand der Bursche, dem sie ihr Herze schenkte… es erzürnte sie innerlich, und so dachte sie erneut, dass das Leben sie enttäuscht hätte. Bitterlich wurden Tränen vergossen, vermischt mit den verschiedensten Gedanken, weshalb er nicht mehr anwesend sei. Trost musste gesucht werden, welchen man in den Herzlanden fand… Eine Gräfin beherbergte sie für eine Zeit, als zu später Nacht ein Bote eintraf, dessen Auftrag den Galgen bedeutet hätte, sofern die Obrigkeit es mitbekäme. So schrieb der Liebste einen Text auf alte Lumpen, die er einem freigelassenen Häftling unterschmuggelte. Seine Schrift, schwer leserlich, doch erkennbar, offenbarte so viel wie:

„Suche mich in Memleben auf, Missverständnisse passierten im vollen Zuge, so sperrte man mich ungerechter Weise ein! Ich erkläre dir alles bei deinem Besuche… Ich liebe dich!“

All ihre Gefühle vermischten sich und so wusste sie im ersten Momente nicht, was sie sagen soll. Wut, Trauer und erleichternde Gedanken wurden zum Schmelztiegel ihres Kopfes… doch wie hätte sie jemals ihren Geliebten zurücklassen können, jetzt wo sie doch weiß, dass seine Abwesenheit nicht beabsichtigt war? Besuche in Memleben klärten sie auf… ihre Knie schon völlig wund, als sie stundenlang mit ihm an seiner Zelle redete. Und hätte die Warterei schon kaum ein Ende gefunden, so ließ man ihn zwei Wochen nach erscheinen des Boten wieder frei. Sein Gesicht strahlte, und so funkelten des Mädchens gletscherblaue Augen wie noch nie zuvor, als sein Schritt aus dem Justizgebäude der Stadt sichtbar war.
Es dauerte also nicht lange, bis sich die beiden wieder in Halland herumtrieben. Doch sollte der Aufenthalt nicht für die Ewigkeit bestimmt sein. Denn ihrem Recken wurden gleich zwei Titel durch verschiedene Adlige zu Ehren gekommen, worüber sich einerseits Sorgen, als auch Freudgefühle auf ihren Lippen äußerten. Letzteres überwog mit der Zeit immer weiter und so klammerte sie sich an das Glück, welches sie aus der staubigen Vergangenheit ihres Lebens zog. Ein Kinde und ihr Liebster sorgten dafür, dass Rubricatus und die Geschichte ihrer Vergangenheit abgeschlossen war. Sie fühlte sich vollkommen in dem Momente, an welchem sie den Hofe, nahe Skuhrov, mitsamt ihres künftigen Mannes beziehen konnte. Im Walde gelegen, umzingelt von riesigen Eichen und Kiefern, die sich fabelhaft um das längliche Hause ziehen.“
Was nun das prägendste Ereignis in ihrem Leben war ist völlig hinfällig. Blickt man zurück in die Vergangenheit, so findet man oft Nostalgie, Trauer oder bestenfalls Erinnerungen der Freude. Doch durchkämmen alle diese Formen das Leben einer zierlichen Dame wie ihr, so fragt man sich, womit hat sie das verdient? Das Gefühl, sie nicht mehr loslassen zu wollen, umringt das Haupte des jungen Burschen, der sie an seine Seite gewonnen hat. Die Prinzipien dieses Mannes, einst grausam und dunkel, sind nun voller Liebe und Hingabe der Gerechtigkeit. Ihre liebevolle Ader änderte sein Betrachten der Welt.. und so changierten auch seine Taten die Gedankengänge des Mädchens. Fest umschlungen lassen sich beide nicht mehr los, in voller Ergebenheit der Liebe gegenüber.

 *So sitzt sie unwissend auf der Fähre, mit Blicke aufs Meer. 
„Was wohl kommen wird?“
fragt sie sich, mit unwissend betonten Augen ihrer Tochter gegenüber. In Gedanken verschmolzen sehnt sich ihr Geiste nach etwas Festem, ohne sich darüber klar zu sein, was sich eigentlich anbahnen wird.*