[Tagebuch] Ein Sarg für etwas Lebendiges.

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Im fast spottenden Mondlicht einer kalten feuchten Novembernacht, kreischen 2 nicht geölte Wagenräder durch die fast magische Stille und zerreißen damit das bisschen Ruhe, dass der kleinen Frau mit einem Säugling auf dem Arm geblieben ist. Gebettet saß sie auf mehreren Fuhren Stroh, neben ihrem kranken Ehemann, im Krieg waren sowohl Körper wie auch Stolz verwundet worden. Kein ungewöhnlicher Anblick in düsteren Tagen, eine junge Familie die vor der Gewalt des Krieges floh.
Und während der Mann Körper und Geist heilte wachte seine Liebste neben ihm, den Sohn in den Armen, der nicht einmal einen Namen trug. Im fahlen Angesicht Lunas fallen auch ihr fast die Augen zu, doch sind die Erinnerungen an die letzten Wochen die Geister, welche sie wach halten. Erinnerungen an einen vergangenen Traum, an unermesslichen Reichtum, an einen Mord und einen vergessenen Namen und schließlich an einen gefallenen Groschen, eine Entscheidung, welche sie getroffen hatte, während er am Abgrund stand und doch nicht gefallen ist, überdauert hat wie er es immer gepredigt hatte. Wie es die Worte unter dem stolzen Banner kundgaben.

Die Münze hatte angefangen sich zu drehen, als sie an jenem sonnigen Tag in Lazarus die Pfeile durch den Tag hatte zischen hören. Als sie sich in den Rücken und in das Ross ihres Gatten bohrten und ihn von seinem Pferd schlugen. Viele Tage hatte sie an seiner Seite gesessen, über ihn gewacht, war geblieben wie es nicht viele getan hatten. Sie erinnerte sich an jede Nacht, in welcher sie gebetet und geweint hatte. Noch immer brannten ihr die Tränen auf den Wangen, noch immer spürte sie diese Angst in ihrem Herzen…
Doch als klar war, dass er auch dies überdauern wurde, hatte sie einen Einwohner aus Lazarus zu sich gebeten und ihm den Schädel eingeschlagen, ihn gekleidet und seine Haare geschnitten bis nicht einmal seine Mutter noch den Unterschied hätte ahnen können, ihn begraben und so war der Groschen gefallen, auf einer Seite gelandet. Und als sie einen falschen Namen auf das Grab schrieb gab es kein zurück mehr.
Benebelt von Elixier und Kraut unterschrieb der Ehemann ein Testament in welchem er sein Vermächtnis, sein Erbe einem anderen vermachte, der weder sein Blut noch seinen Namen teilte. Ein Testament welches seiner Familie und seinen Erben jeden Erbanspruch nahm. In der Nacht darauf dann verließ die Familie die Heimat, der kranke Gatte auf dem Stroh, bewacht von seiner Liebsten mit seinem Sohn in ihren Armen. Gesprochen hatte sie mit niemandem, die Entscheidung keinem mitgeteilt…
Und obwohl sie nun alles zurückließ, was den beiden wichtig gewesen war, war sie glücklich. Ihr blieb die Zweisamkeit, er blieb ihr, wie sie es immer gewollt und genossen hatte. Nein, wie die beiden es genossen hatten.

Im Schein der aufgehenden Sonne erreichten sie einen verlassenen Hafen im Norden, ein einziges Schiff lag dort vor Anker, ein fremdartiges Banner auf den Segeln. Der Mast gerichtet auf ein fernes Land, wo ein Feind nicht bloß eine Zahl wahr, wo die beiden leben konnten, fern von Zwist, Angst und Zwietracht. Wo sie frei werden konnten.
Irgendwann.