Schweigsam saß der Mann auf einem Baumstumpf und starrte durch die wehenden Fichtenäste.
Das Rascheln des Windes zwischen den Nadeln des Gehölz klang wie eine lange vergessene Wehklage und hätte er isch nicht daran gewöhnt, so wäre ihm unheimlich ums Herz geworden. Der Mond hatte sich entschieden diese Nacht anderorts zu verbringen oder sich hinter den dichten Wolken zu verstecken. Es war, als habe er eine Ahnung gehabt und beschlossen nicht hinzusehen.
Die Schwaden des Moores mischten sich mit dem Nebel, ein nahezu undurchdringliches Wabern aus süßlichem und vermodertem Gestank und blindem Weiß. Langsam fleuchten geisterhafte Arme dieser Masse dem Mann entgegen, der sie mit einer energischen Geste verwischte, wie man es mit einem Spinnennetzt im Hause tat.
Unheimlich war dem Mann nicht zumute, doch wachsam war er dennoch. Tiefste Nacht hatte sich über das Moor bei Memleben gesenkt, bevor ein Geräusch ihn aus seinem unruhigen Schlaf hatte auffahren lassen. Die Hütte, welche er sein Heim nannte, hatte geknarrt, der Wind hatte durch die Bäume gepfiffen, doch daran war r gewöhnt und inzwischen mochte er es. Vielmehr schien es ihm, als hörte er ein Stöhnen hinter der Nebelwand.
"Wer da? Sprecht's und zeig't euch!", rief er fordernd, doch ein erneutes Stöhnen war die einzige Antwort. Etwas zuckte, schwarz und schnell und mit einem Knurren fuhr der Mann zurück, den Knüppel erhoben. Die Krähe, die auf dem Dach einer anderen Hütte gelandet war schaut unbeeindruckt zurück, die funkelnden Augen schwarz wie Pech.
"Dummes Federvieh..." , brummte der Mann. Der Rabe krächtzte, als habe er den Mann verstanden und hob sich erneut in die Luft. Nach wenigen Augenblicken war der Schwarze im Weiß verschwunden.
Ein schwacher Lichtschein wurde am Rande der Schwadenwand sichtbar, wie es die Sonne tut, wenn sie sich schüchtern am Rande der Regenwolken zeigt, die ide ottonischen Lande ebenso in ihrem Griff halten wie der König. Stöhnen mischte sich mit Husten und schlurfenden Geräuschen und der Mann des Moores hob seinen Knüppel erneut.
"Helft....", krächzte es unmenschlich menschlich, gefolgt von erneutem Stöhnen und dem Mann wurde klar, was sich da nährte. Der Tod war gekommen. Kriechend und langsam, aber zielstrebig war der Tod ins Moor gekommen. Es war bekannt, dass er hier hauste und nun war er da, gebrechlich, unerbittlich und schwarz.
Der Mann senkte den Knüppel, als sich ein anderer Mann in den Lichtschein seiner Fackel zog. Mit aufgerissenen Fingernägeln zog er isch über den Boden, kraftlos und langsam. "Helft...", wisperte er, die Augen rollten wild umher und die Haare sowie die Kleidung starrten vor Dreck und Schlamm und Moos. Pusteln hatten sich an der Haut des Mannes gebildet und ihn entstellt und jede Dame, die ihn gesehen hätte, wäre entsetzt entflohen oder auf der Stelle ohnmächtig zu Boden gesunken.
Der Mann des Moores kannte den Anblick gut. Ein Mann des schwarzen Todes. Ein Pestkranker. Seit er einige von der Seuche erlöst hatte, hatte es sich herumgesprochen und immer wieder kamen sie um ihn um Heilung zu bitten. Niemanden lehnte er ab, dem er helfen konnte und solchen, denen nicht mehr zu retten war, gab er ein abgelegenes Zuhause oder Erlösung.
Langsam nährte sich der Mann von Moorrand dem Kranken. Wenige Blicke genügten und er schüttelte unwillkürlich den Kopf. Der Kranke, der vor ihm auf dem Boden lag und hzilflos zu ihm aufschaute sah die Geste und blieb still liegen. Sein Husten verwandelte sich in Schluchzen, tief und herzzerreißend und beinahe animalisch. Er weinte und es tat dem Mann des Moores in der Seele weh ihn so zu sehen. Sachte kniete er nieder und schaute dem Todgeweihten in die Augen, sagte nicht denn es gab nichts, was es zu sagen gegeben hätte.
"Dank...", röchelte es ein letztes weinerliches Mal und die Fackel, die der Kranke mit sich über den Boden gezerrt und die der Moormann am Rande der weißen Schatten gesehen hatte, rollte aus seinen Fingern und verlosch im dreckigen Wasser.
Eine Weile kniete er neben dem Pestmann und wartete. Dann hob er ihn keuchend und unter Anstrengung an. Wenige Zeit später starrte er in den Morast, in dem die Leiche des Mannes versank und mit einem Schmatzen vom Moor einverleibt wurde.
Die restliche Nacht schlief der Mann schlecht und die nächsten Tage verbrachte er damit, Mittel gegen die Pest herzustellen, um jedem, der zu ihm käme und rettbar war, helfen zu können....
![](http://ottonien.de/sites/default/files/nebelmoor.jpg)