[Erzählung] Eine Vision von Gott

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Es war schon spät, als Sajan sich von seiner Arbeitsstube aus zur Burg aufmachte.
E schloss die Tür und nahm die Kerze die auf dem Tisch im Gang vor seiner Tür stand. Draußen war die Dämmerung schon vorüber und die Nacht hatte ihren schweren Mantel über das Land gelegt, als Sajan die Tür des Rathauses hinter sich ins Schloss zog.
Er nahm einen schweren, aus Eisen gefertigten Schlüssel aus der Tasche seines Gewandes und führte ihn in das Schloss der massiven Tür.
Als der Schlüssel mit einer gut geölten Bewegung herum glitt, klackte es hörbar und ein zufriedener Ausdruck schlich sich auf das Gesicht des Oberamtsrates.

Als Sajan die Stufen herab schritt - die flackernde Kerze immer noch in seiner Hand - fiel sein Blick auf den Marktplatz welcher vom Vollmond in ein milchiges Licht getaucht wurde.
Irgendwas an dem fahlen Schein der auf den Platz fiel, erregte seine Aufmerksamkeit.
Das Licht. Es war nicht wie sonst. Etwas...war anders! Die Strahlen, sonst immer kalt und matt, strahlten kräftiger und erhabener als die Jahre zuvor!

Sich noch immer über diesen seltsamen Eindruck wundern, setzte Sajan seinen Weg fort, weiter weg vom Rathaus und weiter in die Mondbeschienenen Dunkelheit der Nacht.

Als er die Burg erreicht und durch das Burgtor schritt, welches einem klaffenden Maul gleichend vor ihm in der Dunkelheit aufragte, flackerte die Kerze kurz, als habe ein Windhauch sie zu löschen versucht.
Doch in dem hohen Torbogen wehte nicht eine Brise. 

Verwundert blickte Sajan die Kerze an. Die Flamme zuckte und tanzte auf dem Docht hin und her. Doch das wunderliche Verhalten der Flamme zeigte sich kein zweites mal.

Er setzte seinen Weg weiter fort, durchquerte den Innenhof hinter dem ersten Tor, durchschritt das zweite und begab sich den Hügel hinauf zur schweren Eingangstür des Bergfrieds, in welchem er eine Kammer sein eigen nennen durfte.

Mit einem ächtzen wie von einem Bauer der einen schweren Pflug über den Acker ziehen muss, schloss er die Tür wieder hinter sich und begab sich die Treppe hinauf zu seinem Gemach.

Auf der letzten Stufe vor der Tür die zu dem Stockwerk abzweigte, welches seine Kammer beherbergte, blieb Sajan stehen.
Matt warfen die Steine der massiven Wände den Schein der Kerze zurück und erzeugten ein tanzendes Spiel der Schatten.
Als er an sich herunter sah, bemerkte er den Schmutz an seinem Gewand und den Dreck von lauter verstaubten Dokumenten und Büchern an seinen Händen.
Er zögerte noch einen Augenblick, dann machte er sich auf den Weg weiter die Treppe hinauf.

An der nächsten Tür hielt er noch einmal kurz inne, bevor er sie leise öffnete und sich mit vorsichtigen Schritten den Gang entlang bewegte.
Als er an der Tür zum schlafgemach des Grafen der Burg vorbei kam, vernahm er ein leises schnarchen durch die nicht ganz geschlossene Tür.

Vorsichtig bewegte er sich weiter zur Kammer in der sich der Trog mit dem Badewasser befand.

Er schloss die Tür der Kammer hinter sich als er sie durchschritten hatte. Das Wasser war sogar noch leicht warm. Der Graf hatte wohl offensichtlich zuvor ein Bad genommen, ehe er sich in seinem Bett zur Ruhe gelegt hatte!
Sajan fuhr noch einmal mit seiner Hand durch das lauwarme Wasser. Dann nahm er sie heraus und drehte sich herum um seine Kleider über den nahe stehende Schemel zu legen.

Der Raum hatte sich verändert.

Wo vorher noch aus Fachwerk bestehende Wände und eine hölzerne Tür gewesen waren...war nun nichts mehr.

Die Enge der Kammer war einer Weite gewichen, vor der Sajan instinktiv zurück schreckte!
Rasch drehte er sich auch in die andere Richtung, in der Hoffnung, dies sei nur eine Einbildung die durch den Anblick des Troges wieder verflüchtigen würde, wie ein böser Traum.

Die Wanne war fort.

Wo zuvor noch das von Nässe durchzogene Holz eines Badetroges gestanden hatte war nun...nichts.

Als sei die Realität von einem fiesen Scherzbold einfach...versteckt worden!

Panik machte sich in Sajans Brust breit und erschwerte ihm das Atmen!

Dann wurde er sich des Luftzuges gewahr, der ihn umspielte. 
Es war kein reißender, aggressiver Wind. Eher ein sanfter, aber drängender Luftstrom.
Und er...roch. Nach frisch geschlagenem Gras, nach Nadelhölzern in den Wäldern und...nach Plätzchen! Ein Duft aus einer fernen Zeit, als Sajan noch ein kleiner Junge war, der von den Kochkünsten seiner Mutter begeistert jede Mahlzeit erwartete!

Er blickt zu Boden, als ihm in den Sinn kam, dass wenn er keinen Horizont sah, es auch keinen Boden geben sollte!

Der kurz wiederkehrende Moment der Panik verflog und wich Verwunderung.

Seine Füßen sah er nicht. Sie wurden umspielt von einem leichten Nebel der sich rings um ihn erstreckte und nach ein paar Metern steil abzufallen schien, so als befände er sich auf der Krone es mächtigen Baumes!
Zwischen den nebeligen schleiern sah er ab und an kurz seinen Füße aufblitzen, bevor die nächste Schwade sich wieder darüber legte.
Er sah keinen Boden!

Es war, als würde er auf dem Nebel gehen! Etwas...unmögliches sorgte dafür, dass seine Füße wie auf festem Boden standen und er nicht einfach durch den Nebel hindurch fiel!

Jetzt merkte Sajan auch, das die Briese ihn langsam aber bestimmt in eine Richtung drängte!

Es war kein drängen, viel mehr...eine Einladung, dem Weg zu folgen, den der Wind deutete.

Als Sajan sich langsam dem Rand des Nebels näherte, blieb sein Herz für einen kurzen Augenblick stehen!

Er war über dem Meer!

Unter ihm schäumten die Wellen des unergründlichen Ozeans im fahlen Licht des Mondes in ihrem sich selbst verschlingendem Tanz!

Er taumelte zurück!

Doch der Wind, eben noch sanft und freundlich, fing ihn auf und schob ihn wieder vorwärts!

Dann sah Sajan, dass er sich wohl auf einer Wolke befinden musste. Keine Zwei Meter vor ihm, hing ein weiteres nebeliges Gebilde in der Luft!

Da der Wind nicht abzuflauen gedachte, nutze er die letzten Meter und nahm Anlauf um - so hoffte er - es auf den womöglich ebenfalls sicheren Untergrund der zweiten Nebelwolke zu schaffen!

Sollte er sich irren, so würde er einen qualvollen Tod sterben, erdrückt und unnachgiebig in die Tiefe gezogen von den wogenden Massen der See...

Als der den vermeintlichen Rand seiner Wolke erreichte, stieß er sich mit der Kraft eines alten Mannes seines Alters von ihr ab!

Dann war nur noch der Ozean unter ihm.

Sajan flog von seiner Wolke fort, direkt auf die zweite Nebelige Auftürmung zu! 

Sein tritt, mit dem er landen wollte strich durch die Schwaden...und trat ins leere.

Mit einem Schrei auf den Lippen, sah er vor sich die nebeligen Schwaden in die Höhe schießen, bis er begriff, dass er fiel!

Panisch begann wieder das alte Herz in seiner Brust zu schlagen! 

So war es also.

So sollte es enden. Verschlungen von der See!

Niemand würde je erfahren, wie und wo er verstorben war...

Dann landete er mit dem Rücken auf etwas weichem.

Als er den ersten Schock überwunden hatte, richtete er sich vorsichtig auf und sah sich verwundert um.
Er war wieder auf einer Wolke. 

Schon setzte die drängende Briese wieder ein!

Kaum hatte Sajan sich aufgerappelt, da sah er vor sich eine noch größere Wolkenbank emporragen!

Diese war anders als die anderen zwei zuvor! Kalkweiße Säulen aus blankem Marmor, so glatt, als habe das Meer sie selbst abgeschliffen, ragten aus den wolken empor und säumten auf ihnen einen Pfad!

Von neugier und dem Wind in seinem Rücken getrieben, setzte Sajan sich wieder auf und machte sich bereit, erneut die gähnende Leere zwischen den Wolken zu überwinden!

Dieses mal gelang es!

Seine Füße setzten sicher auf der großen Wolke auf und ein Anflug von stolz, machte sich in seiner Brust breit.
Als er sich etwas umgesehen hatte, setzte er sich in Bewegung und schritt den Pfad zwischen den Säulen entlang!
Er kam nicht weit.
Kaum hatte er die offensichtlich letzte Säule entlang des Weges passiert, trafen seine Schritte ins Nichts!
Erneut stürtzte Sajan, mit einem lang gezogenen Schrei hinab in die wogenden Fluten!
Fetzen aus Nebel waberten noch um seinen Gewänder, als er durch den Boden der Wolke fiel!

Sein Sturz endete abrupt, als er mit vor schrecken geweiteten Augen dem schäumenden Wasser entgegen schoss!
Kaum hatte der das Wasser berührt, verlangsamte sich sein Sturz und er glitt wie durch einen Schleier aus wärmenden Umwarmungen.

Plötzlich drehte sich die Welt und wo er eben noch den Grund des Meeres vermutet hatte, der ihn unerbittlich - aber liebevoll - nach unten Zog, so schien es plötzlich das Gegenteil zu sein!
Wo eben noch die tiefe Schwärze des Ozeans mit ihren unendlichen Geheimnissen zu ihm herauf gestart hatte, schimmerte nun ein lieblicher Schein durch das aufklarende Wasser!

Als er mit seinem Kopf durch die Oberfläche brach und einen erleichterten Luftzug einsog, sah er, dass er sich in einer Kammer befand, die einer Höhle gleich überall herum geschlossen schien. Jedoch waren die Wände Wolkengleich und ein sanftes Leuchten schien aus den Wändne selbst zu strahlen!

Er setzte sich auf. Wo er eben noch glaubte in einem Meer zu schwimmen, befand sich nun nicht mehr als ein kleines Becken mit angenehm nach Rosenblättern duftendem Wasser!
Und als er sich aufrichtete, so schien das Wasser in dem Becken bleiben zu wollen, so schnell trockneten seine Kleider, als er das Nass verließ!
Verwundert schaute Sajan sich in der Höhle um, bis sein Blick auf einen alten Mann fiel.

Er war nichts besonderes. Er trug ein Gewand, welches von einer ledernden Schmiedeschürze überdeckt wurde.
Sein freundliches, von Altersfurchen gezeichnetes Haupt wurde umspielt von weißem Haar, doch ein sanftes leuchten schien von seinen Zügen auszugehen und sein Haupt zu umschmeicheln.
Der alte Mann saß auf einer Steinsäule aus eben jenem Marmor, wie er ihn zurvor noch auf der Wolke bewundert hatte. 
Er wandte sich Sajan, zu und Sprach:

"Mein Kind, im Norden des Orients befindet sich eine satanistische Gemeinde.
FInde und läutere sie!
" sprach er mit einer angenehmen und freundlichen Stimme, deren Unterton jedoch keinen Widerspruch zuließ.

Flüsternd fügt er hinzu: "Alle."

"Verbreite auch diese Kunde zu anderen Christen!" fuhr der alte Mann in normaler Lautstärke weiter fort.

Sajan wollte etwas fragen, doch als er den Mund aufmachte...war der alte Mann verschwunden! Ebenso die Höhle mit dem sanften licht und dem lieblichen Duft des Wassers.

Er befand sich auf einem Marktplatz.

Der Mond schien fahl und kalt vom Himmel durch die Schwärze der Nacht.

Er war in Memleben.

Ein sanfter Wind wehte, doch nur Sajan sollte ihn bemerken.

Der Wind schob ihn sanft zum Tor der Stadt hinaus, und er wusste, was er nun zu tun hatte!

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