![Bild des Benutzers Elise_Payne Bild des Benutzers Elise_Payne](http://ottonien.de/sites/default/files/pictures/picture-3819-1601472923.jpg)
[...] Ich habe mir meinen Tod so oft vorgestellt, dass er sich mehr wie eine Erinnerung anfühlt. Als Kind war der Gedanke an meinen Tod durchzogen von Geschichten und Märchen gewesen. Etwa ein dunkler Schatten in der Ecke, der seine langen, astgleichen Finger um meinen Hals legte und mich erwürgte. Ein riesiger Schwarm schwarzer Ratten, welcher mich bei lebendigem Leibe frisst oder die nächtliche Vorstellung, das Dach meiner sicheren Bleibe würde über mir zusammenbrechen.
Erst als ich älter wurde, nahm der Gedanke an meinen Tod eine realistischere Form an. Von räudigen Hunden zerrissen werden, erfrieren, im Kampf sterben oder in den eisigen, atmenden Schlund meiner Heimat stürzen.
Ich denke, ich verdiene den Tod. Ich habe mein Herz dafür verflucht zu schlagen, seitdem ich meine Geschwister hab sterben sehen - So viele habe in meinem Namen sterben sehen. Ich habe es dafür verflucht, sich an den kleinen, unbedeutenden, uralten Instinkt zum Schlagen geklammert zu haben. Statt vom Schnee begraben zu werden hat der Norden mich ausgespuckt, hochgewürgt, wie eine Eule nach dem Verzehr einer besonders saftigen Maus und viel mehr als das, was die Eule übrig lässt, war ich nicht mehr gewesen.
In diesem Moment spüre ich die Kälte des Wassers und das Reißen der Strömung um mich herum. Meine Lungen verkrampfen sich mit jedem Schwall Wasser, welcher sie Flutet und selbst jetzt schreit alles in mir danach, für mein ausgelaufenes Leben zu kämpfen. Ich beiße mir selber auf die Zunge, um den Drang zu unterdrücken und feine, leichte, dunkelrote Fädchen aus Blut steigen aus meinen Mundwinkeln auf. Meine Nase brennt, meine Kleidung fühlt sich schwer an aber langsam, mit tiefer Zufriedenheit, spüre ich wie dieser ewige Kampf in mir endlich zu enden scheint.
Ich habe mir immer vorgestellt, nach dem Tod die Wärme meiner Geschwister wieder spüren zu dürfen. Doch die Wahrheit ist, dass man nur in eine immer kälter werdende Finsternis sinkt und irgendwo, in den tiefen dieser Finsternis, hörst du auf zu denken.