Der tote Reiter

Georg Eisenbert ließ die Spitzhacke sinken, sein Herz pochte wie verrückt gegen seinen Brustkorb. Konnte es wirklich sein?, dachte er verzweifelt, war sein Herr wirklich tot? Er biss sich auf die Unterlippe, der metallene Geschmack von Blut flutete seinen Mund. Was sollte er tun? Mit Grauen erinnerte er sich an die zertrampelte Leiche, was für eine Ironie, der Herr der Pferde, der Reiter von Edoras, wurde von seinen eigenen Tieren zertrampelt. Theodreds Gesicht war mit Blut und Erde verschmiert gewesen, sein flachsblondes Haar mit Schlamm verschmiert. Er sah sich verzweifelt um, betrachtete die große Halle im Stollen Edoras' die Theodred eigenhändig aus dem Stein geschlagen hatte. Der warme Wind umwehte seine Nase, er war ganz anders als der kühle der in den nördlichen Bergen herrschte, sein Herr hatte ihn erst kürzlich zu seinem Vertreter bestimmt und so war es seine Pflicht die kleine Siedlung weiterzuleiten, wie schlecht die Aussichten auch waren, obwohl die Lager gut mit Holz, Getreide, Steinen und Erzen gefüllt waren stand es um Edoras nicht gut. Er hoffte dass bald sein Neffe übernehmen würde, doch im Moment musste er die schwere Bürde wohl selbst tragen.

Er holte mit der Axt aus, atmete tief durch ehe er die Tür zu Theodreds Haus einschlug. Holzsplitter, vermischt mit Eisen, flogen ihm entgegen. Er hielt sich den Arm vor Augen - es dauerte eigene Minuten bis sich der Staub gelegt hatte. Erleichtert seufzte Georg auf und betrat das Haus seines alten Lehensherren. Auf einem Tisch vor dem Kamin lag ein festlicher Braten, Jagdbeute war in einigen Truhen verstaut gewesen, die Theodred wohl niemals wieder zu sich nehmen konnte, in einem Fass lagerte ein kleiner Vorrat von Bier. Georg lächelte, sein Herr hatte Bier über alles geliebt, bei jedem Besuch in Memleben, ganz egal wie dramatisch er auch war, war er stehts noch in den Drei Krügen eingekehrt. Tränen traten aus den Augen des Bergarbeiters, er würde Theodreds Tod verkünden müssen, er und niemand anderes. Doch nicht in Memleben - im wahren Edoras!

"Wie viel kostet die Überfahrt dorthin?", fragte Georg, er zog eine Hand voll Thaler aus seiner Tasche. "Das glaubt ihr wohl doch selbst nicht?", der Mann spuckte aus, er hatte das flachsblonde Haar Theodreds, einen beleibten Bauch und sein Bart war eher ein Flaum. Sein Atem stank nach Pferdemist, Seetang und Fisch. "Die Reise dauert fast zwei Tage und in Edoras kann man mit euren Thalern ohnehin nicht viel anfangen. Gebt mir ein Pferd und ich schippere euch rüber" Georg fluchte leise auf, dieser verdammter Kapitän! "Ich kann euch kein Pferd bieten", erklärte er so ruhig wie möglich. "Euer Pech", erwiderte der Kapitän, er griff sich an den großen Bauch. "Doch ich muss einfach nach Edoras, es geht um Theodred!" "Was ist mit ihm?", Falten zeichneten sich auf seiner Stirn ab. "Er ist tot!", Georg schluckte. "Wie konnte das geschehen?" schrie der Kapitän erschrocken auf. "Er wurde von einem Pferd zertrampel, er war noch verwundet von dem Kampf mit einem dieser verfluchten Sardoler." "Ja, er erzählte dem König dies bereits, er wollte eigentlich in wenigen Tagen übersetzen um diesen Leuten zu zeigen was passiert wenn man sich mit Edoras anlegt." "Dies tut nichts zu Sache", Georg winkte ab. "Ihr dürft übersetzen", erklärte der Kapitän und hob warnend den Finger, "Jedoch nur dieses eine Mal!"

Der harte Wind der Steppe schlug ihm ins Gesicht. Große Weideflächen streckten sich bis an den Horizont, an den Seiten erhoben sich die Berge, so weiß als wären sie mit Staubzucker belegt. "Da vorne liegt Edoras", der Kapitän deutete auf ein großes Dorf dass sich von einer kleinen Anhöhe aus über das Land erstreckte. Die Dächer waren mit Stroh und geflochtenen Gräsern gedeckt. Auf einer Anhöhe konnte er die Umrisse einer großen Halle erkennen, ihr Dach war mit hölzernen Schindeln gedeckt und zwei große Banner standen auf zwei Stelzen vor ihrer Tor. Dies war Metania, die Halle des Königs, Theodred hatte ihm schon viel von ihrer Pracht und ihrer Fürstlichkeit erzählt, doch sie war gewaltiger und schöner als er es sich hätte je ausmalen können.

Ein Schaudern lief über seinen Körper als er die große Königshalle betrat, der Boden bestand aus gestampftem Lehm und die Wände aus Flechtwerk waren mit Wandteppichen behängt, die größtenteils wundervoll gemalte Pferde bildeten. Die Halle erinnerte an die des Edoras' das in Ottonien lag, war jedoch wesentlich prachtvoller und königlicher. Ein Raunen ging durch die Anwesenden als sich die großen Torflügel aus Eichenholz schlossen. Georg schluckte, er spürte den stechenden Blick der Menge. "Eure Majestät", verkündete ein Wachmann, er hatte einen Ziegenbart der von grauen Strähnen durchzogen wurde und trug eine Plattenrüstung mit wundervollen Reliefs. "Ein Bergarbeiter aus unserer Kolonie in Ottonien, der Sohn Theodens." "Danke", Erik Sturm ergriff das Wort, auf seinem Haupt ruhte eine kupferfarbene Krone aus Bronze. "Seid gegrüßt eure Majestät!", sprach Georg Eisenbert, er senkte respektvoll den Kopf, "Ich bin Georg Eisenbert, ein fleißiger Minenarbeiter und komme aus Edoras, vor kurzen fand ich meinen Herren Theodred jedoch tot auf." Erick Sturm fuhr erschrocken auf, die Anwesenden stöhnten betrübt auf. "Wie konnte das geschehen?", sein Gesicht errötete, "Ich vermute dass er auf sein Pferd steigen wollte, er fiel jedoch und wurde zertrampelt. Ich fand seine Leiche blutüberströmt...!" Er warf einen unbehaglichen Blick hinter sich. "Einer von unserem Volke, getötet von einem Pferd?", fragte der König ungläubig. "Ja", bestätigte Georg, „Wir hatten vor kurzen ein Scharmützel mit den Siedlern von Sardol, er verletzte einen der Dörfler schwer, fügte sich jedoch eine Wunde im Bein zu und anscheinend hat er zu früh versucht wieder seine Pflicht tun." "Er war wirklich sehr pflichtbewusst, edel und treu", erklärte ein Mann neben dem König. "Ganz Theodens Sohn", hörte er den König murmeln. "Nun, danke dafür dass ihr uns diese schlimme Botschaft überbracht habt, jedoch verlasset uns bitte nun, wenn ihr euch von euer Reise erholt habt, wir müssen uns über unser weiteres Vorgehen beraten." Georg senkte den Kopf und verließ die Halle.

Edoras wirkte wie ausgestorben als er wieder in Ottonien angekommen war. Die große Halle wirkte verlassen und voller Schatten während im Schafstall selbst die Schafe betrübt schienen. Ein Edoras ohne Theodred, dass konnte sich Georg nicht vorstellen, doch trotz allem war es seine Pflicht! Er würde die Siedlung übernehmen, wie es sein toter Herr von ihm gewollt hatte! Theodred Hador war tot! Ein Mann der Ehre war tot! Der Reiter war tot!

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