Das Grab des Reiters

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Der kalte Regen benetzte ihren Umhang, sie zog sich die Kaputze tiefer ins Gesicht. "Wann sind wir da?", raunzte Karl seiner Mutter zu. "Bald mein Kind", murmelte Venia. "Mir ist kalt", jammerte der Junge und umklammerte den Rücken seiner Mutter. "Ich verspreche dir in den Hallen Theodreds ist es warm", erklärte sie während ihr der Regen ins Gesicht peitschte. In den Nordlanden wird schon Schnee liegen, dachte Venia, ein Glück dass Theodred die Mondlande ausgewählt hatte, sie konnte noch immer nicht verstehen weshalb er einst in den Hohen Norden aufgebrochen war. "Moonshire liegt etwas südlich von hier", bemerkte sie und trieb ihr Pferd eine Anhöhe hinauf. "Und was soll mir das bringen?", fragte Karl wütend, er schlang die dünnen Arme um den Leib seiner Mutter. "Ich habe das zu meiner eigenen Orientierung genutzt", erklärte Venia genervt. In der Ferne erschien für den Bruchteil einer Sekunde eine weiße Kralle am Himmel, gefolgt von einem dumpfen Gröllen. In der Ferne konnte sie das Meer ausmachen, dunkle Wogen peitschten gegen die goldfarbenen Sandstrände. Sie trieb ihrem Pferd die Sporen in die Seite, das Tier heulte auf und fiel in einen schnellen Galopp. Wenn sich Windhuf jetzt ein Bein bricht sind wir verloren, dachte sie zermürbt und kaute an dem scharfen Kraut, dass sie von dem Alchemisten in Memleben erhalten hatte. "Mama, wann sind wir jetzt nun da?", fragte Karl erneut, er setzte eine schmollende Miene auf. "Wenn du das noch einmal fragst schmeiße ich dich vom Pferd", erwiderte Venia erbost während die Hufe des Pferdes den Morast, zu dem die Wiese geworden war, aufwirbelte.

Sie atmete erleichtert auf als sie die Lichter Edoras' vor sich sah. Die Felder der Einsiedelei glänzten golden im Mondlicht, sie hörte das wiehern eines Pferdes. "Jetzt sind wir da", meinte Venia. "Auch schon bemerkt", erklärte Karl, er hob die Arme als ihn seine Mutter vom Pferd hob. "In der Halle wird es wärmer sein", sie band Windhuf an einen Baum und schob die großen Torflügel beiseite die in die große Halle führte. Der Boden bestand aus Bruchstein, die Wände aus Fachwerk waren mit Teppichen behängt die Pferde dastellten, Theodred hatte sie aus seiner Heimat mitgebracht. In der Mitte knisterte ein großes Feuer. Karl ließ sich neben der Lichtquelle sinken und presste die Beine gegen seinen Oberkörper, seine Zähne klapperten. "Ich habe etwas Hartkäse, gesalzenes Rindfleisch und Brot zum Rösten mitgenommen", erklärte Venia, sie holte einen befüllten Korb hervor. "Und dies alles hat meinem Onkel gehört?", fragte Karl ungläubig, er besah sich ehrfurchtsvoll den Sitz des Lehensherren. "Ja, dies all hat deinem Onkel gehört! Dies all hat Theodred gehört!"

Das Hügelgrab ihres Bruders lag etwas abseits des Dorfes, wilde Blumen blühten auf den Hügeln. Nach Theodreds Tod und Georg Eisenberts Verkündung waren einige Krieger aus dem wahren Edoras angereist und hatten einen Hügel ausgehöhlt. Sie kaute auf ihrer Unterlippe, es geziehmte sich nicht den Frieden eines Toten zu brechen. Doch sie wollte ihn sehen, ein letztes Mal wollte sie ihn sehen! Venia hob die Axt, das Holz krachte, Splitter wirbelten in der Luft herum. Sie kniff die Augen zusammen und betrat den Raum. Er glich einer Höhle, die runde Decke war mit wundersamen Malereien verziehrt, Truhen voller Sättel standen auf dem Boden herum. Venia schürzte die Lippen und näherte sich dem Sarg, er war aus Dunkeleichenholz geschnitzt, wunderschöne Reliefs die Krieger auf Pferden abbildeten waren in den Sarg eingeschnitzt. Sie zögerte kurz, ließ die Hand auf dem glatten Holz ruhen. Sollte sie es wirklich tun? Konnte sie Theodreds toten Körper wirklich entweihen, nur für den egoistischen Wunsch ihn noch ein letztes Mal zu sehen? Ihr Atem ging flach, unzählige Gedanken schossen durch ihren Kopf ehe sie den Deckel anhob und sie starrte in die starren, blauen Augen ihres Bruders. Über seinen Oberkörper war ein kostbares Kettenhemd aus Stahl gestreift, sein langes Haar, vom Tode ausgeblichen, war zu Zöpfen geflochten worden und in seine Hand umklammerte ein Buch. Ein Buch, verschlossen, in einem Umschlag aus Leder eingebunden. In Runen, die Schrift der Eorlingas, stand auf dem Einband geschrieben: Theodred Hadors Tagebuch!